Die Wüste lebt – Spurensuche, kleine Tiere und Wüstenmüsli

Die Wüste lebt – Spurensuche, kleine Tiere und Wüstenmüsli

Namibia im Südwesten Afrikas gehört geologisch zu den ältesten Gebieten unserer Erde. Es entstand schon vor der Kontinentaldrift. Besondere klimatische Bedingungen, die über Jahrmillionen anhielten, formten viele geologische Strukturen, die auch heute noch gut erkennbar sind. Somit gehört die Namib zu der ältesten Wüste der Welt, sie ist etwa 80 Millionen Jahre alt.

Die Namib erstreckt sich über 2000 km lang an der Westküste im südlichen Afrika von Angola über Namibia nach Südafrika. Sie reicht ca. 160 Km ins Landesinnere hinein. Mit Tagestemperaturen bis zu 50 °C und Nachttemperaturen bis an den Gefrierpunkt gehört die Namib zu den unwirklichlichsten Orten unserer Welt. Es gibt jahrelange Trockenperioden und heftige Sandstürme. Vorhandenes Wasser fließt unterirdisch in Canyons, hier gedeihen dann auch Bäume, wie der Kameldorn.

Die Trockenheit liegt hier am kalten Atlantik und am Beguala Strom, der sehr kaltes Wasser aus der Antarktis nordwärts transportiert. An der Küste selbst sind die Temperaturen wesentlich kühler und frischer als im Inland und der Wüste. Obwohl das Wasser des Atlantiks auch hier verdampft und kondensiert, entsteht an 200 Tagen im Jahr „nur“ Nebel und kein Niederschlag. Der frühmorgendliche Nebel reicht bis zu 45 km in die Namib-Wüste hinein und ist somit für die hier lebenden Pflanzen und Tiere die einzige Feuchtigkeitsquelle.

Die Tiere, die hier in der Namib leben sind endemisch. Sie leben nur hier, an diesem Ort und sind deshalb besonders schützenswert. So entstand 2010 der Dorob Nationalpark um die Küstenstädte Swakopmund und Walvis Bay herum. Wo früher Quads kreuz und quer fuhren und das sensible Ökosystem störten, werden heute geführte Touren mit sachkundigen Guides angeboten.

Living Desert Tour

Es ist inzwischen Halbzeit unserer Wohnmobil-Namibia-Tour und wir sind in Swakopmund am Atlantik angekommen. Bei der Fahrt von Osten an die Küste fahren wir schon durch die Namib-Wüste hindurch. Über dem Atlantik bei Swakopmund liegt eine dicke Nebelwand. Die Temperaturen liegen bei angenehmen 22 °C, am Abend benötigen wir sogar eine Strickjacke.

Wer nach Afrika oder Namibia reist, will ja unbedingt die großen Tiere sehen, die Big Five: Elefanten, Nashörner, Löwen, Büffel und Leoparden. Und natürlich ist es einfach großartig, diese Tiere in freier Wildbahn beobachten zu dürfen. Dazu bekommt man noch Giraffen, Zebras, Gnus, Strauße und jede Menge Antilopen zu sehen. Die kleinen Tiere fallen dann weniger auf oder ihnen wird weit weniger Interesse geschenkt. Also wurde die Idee der Little Five als Pendant ins Leben gerufen. Die Little Five sind nur an ihren Spuren im Wüstensand auszumachen. Dazu braucht es geübtes Auge und Geduld. Zu den fünf Vertretern gehört der Palmato Gecko, die “tanzende weiße Dame” (eine Spinnenart), das Namaqua Chamäleon, die Sidewind Snake und die Düneneidechse. Und wie bei den Großen gibt es noch jede Menge anderer kleiner Tiere zu sehen.

Nr. 1 : Blindschleiche

Am nächsten Morgen werden wir schon um 8:00h morgens mit Jeeps von unserem Guide Kevin abgeholt. Sobald wir das Stadtgebiet von Swakopmund verlassen, beginnt die Wüste und wir begeben uns auf Spurensuche. Kevin begeistert uns mit seinem Wissen, seiner Liebe zu den Tieren und zu seinem Land. Die ersten Spuren werden von ihm entdeckt und eine schlangenartige Eidechse – eine Fitzsimons Burrowing Skink – wird aus dem Sand gegraben. Es sieht unserer Blindschleiche sehr ähnlich. Wir nehmen zwei Hände voll Sand und Kevin setzt die Blindschleiche obendrauf. Sofort gräbt sich das Tier in den Sand und kitzelt uns an den Handinnenflächen. Dann wird sie wieder auf dem Sand abgesetzt und super schnell ist die Blindschleiche im Sand verschwunden.

Blindschleiche – Fitzsimons Burrowing Skink
Die Blindschleiche kitzelt uns an den Handinnenflächen

Nr. 2: Namibgecko

Wir fahren weiter und Kevin hält Ausschau nach den nächsten Spuren. Dann hält er an, springt aus dem Wagen und sucht am Boden nach weiteren Spuren. Wir sehen im Gegensatz zu Kevin nichts. Er schaufelt nun ganz vorsichtig mit den Händen ein Loch in den Sand und befördert einen kleinen Gecko zutage. Der Namibgecko oder Palmato Gecko lebt ausschließlich hier in der Namib. Das Tier wirkt zart, durchscheinend und ein wenig zerbrechlich. Die Zehenzwischenräume sind mit einer Art Schwimmhäute versehen, sie ermöglichen dem Gecko über den Sand zu laufen, ohne einzusinken. Der Namibgecko ist ausschließlich nachtaktiv. Den Tag verbringen sie in selbst gegrabenen Gängen tief unter dem Sand, während sie nachts auf Beute gehen und sich von Spinnen und Käfern ernähren.

Der Namib Gecko
Zart und zerbrechlich sieht er aus

Nr. 3: Düneneidechse

Und wieder sind wir auf Spurensuche. Plötzlich sehen wir am unteren Rand der Düne ein kleines Tier entlang flitzen. Kevin springt aus dem Wagen und fängt es gekonnt ein. Es sieht aus wie ein Minikrokodil und ist eine Düneneidechse. Die Echsen sind tagaktiv und superschnell. Selbst bei hohen Temperaturen von an die 50 °C können sie über den Sand laufen. Damit sie sich nicht ihre Füße verbrennen, wenn sie mal anhalten, heben sie das rechte Vorderbein und das linke Hinterbein oder das linke Vorderbein und das rechte Hinterbein im Wechsel vom heißen Sand hoch. Es sieht dann aus, als ob die Echse ein kleines Tänzchen vorführt. Bei Gefahr graben sie sich schnell in den Sand, wo sie auch die Nacht verbringen.

Kevin holt eine kleine Dose aus seiner Hosentasche hervor. Darin sind ein paar Maden, eine davon wirft er dem Gecko zu Fraß vor – und schwupp ist die Made auch schon gefressen.

Mini Krokodil, der Namibgecko
Guten Appetit

Nr 4: Zwergpuffotter

Inzwischen hat Kevin eine weitere Spur entdeckt und stochert mit einem Metallhaken im Sand herum. Heraus kommt eine Zwergpuffotter oder Sidewinder, wie sie hier heißt. Mit ihren 30 cm an Länge ist sie die kleinste der Puffottern. Tagsüber gräbt sie sich in den Sand ein, nur die beiden Augen schauen noch heraus. Ihre Tarnung ist perfekt, die Augen sind kaum von den Sandkörnern zu unterscheiden. Manchmal ragt noch die schwarze Schwanzspitze aus dem Sand hervor. Damit lockt sie neugierige Beute wie zum Beispiel den Gecko heran, um ihn mit einem schnellen, giftigen Biss zu töten. Für den Menschen ist das Gift zwar schmerzhaft, aber nicht tödlich.

Die Schlange bewegt sich seitlich schlängelnd, wodurch sie so wenig wie möglich Berührung mit dem heißen Sand hat. Diese Bewegung brachte ihr den Namen Sidewinder ein.

Wir sind inzwischen alle aus dem Häuschen, haben wir doch schon drei der Little Five gesehen und eine Blindschleiche dazu. Kevin fängt im Vorbeigehen noch einen Tok Tok Käfer ein, einen Nebeltrinker. Diese Käfer stellen sich am frühen Morgen auf dem Dünenkamm auf ihre Vorderbeine und recken ihr Hinterteil in die Luft. Die Feuchtigkeit in der Luft kondensiert auf dem Hinterteil, es bilden sich kleinste Wassertröpfchen, die dann den Körper entlang Richtung Maul laufen. So versorgt er sich mit Wasser. Es ist unglaublich, welche Wunder es auf unserer Erde zu bestaunen gibt und wie sich die Tiere ihrer Umgebung angepasst haben, um zu überleben.

Zwegpuffotter

Nr 5: Wüstenchamälion

Es ist ein absoluter Glücksfall, dass wir auch noch ein Wüstenchamälion entdecken. Sie werden maximal 30 cm groß und jagen am Boden nach Insekten. Ihr Gang ist langsam und gemütlich, die Farbe wird der Umgebung angepasst oder zeigt ihre Emotionen, zum Beispiel in der Paarungszeit. Kevin holt wieder seine Dose mit den Maden aus der Tasche und wirft dem Chamäleon eine hin. Das vorher sich langsam bewegende Tier wird nun pfeilschnell. Die lange Zunge schnellt wie ein Katapult aus dem Maul hinaus und genauso schnell mit der Made wieder hinein. Was für ein Schauspiel. Die Zunge ist so lang wie der gesamte Körper inklusive des Schwanzes. Inzwischen liegen wir alle mit unseren Kameras bäuchlings auf dem Boden und fotografieren mit der höchsten Geschwindigkeit, die die Kamera hergeben. Nachdem das Chamäleon ein paar der Maden verspeist hat, macht es einen ganz zufriedenen Gesichtsausdruck.

Pfeilschnell katapultiert das Wüstenchamälion seine lange Zunge heraus,
zielsicher wird die Made von der Zunge gepackt
und ebenso schnell wird sie gegessen.
Zufrieden

Eine Dancing White Lady, die tanzende weiße Spinne, bekommen wir heute nicht zu sehen. Auch sie ist hier endemisch, erreicht einen maximalen Durchmesser von 10 cm. Tagsüber lebt sie 30 – 40 cm langen, selbst gegrabenen Wohnhöhlen unter dem Sand. Nachts gehen sie auf Beutefang und Partnersuche. Dazu klopfen oder trommeln sie mit den Vorderbeinen auf den Sand. Die Vibration ist für andere Vertreter dieser Art einige Meter weit zu spüren. Daher kommt auch ihr Name. Ihr Biss ist giftig und verursacht einen unangenehmen Schmerz.

Etwa eine Woche später entdeckten wir die Dame in unserem Wohnmobil. Beim Versuch, die Lady einzufangen, verschwand sie in der Innenraumverkleidung der Beifahrertüre und ist auch nicht mehr aufgetaucht.

Wüstenmüsli

An den unteren Rändern der Dünen sammeln sich Gräser, Samen und Blätter und formen ein lockeres, rundes Gebilde. Hier können sich zum einen kleinste Tiere verstecken und auch ernähren. Sie dienen dann wiederum als Nahrung für Eidechsen und Geckos. Eidechsen, Geckos und Blindschleichen werden von Schlangen oder Vögeln gefressen. So setzt sich die Nahrungskette fort.

Das Wüstenmüsli wird vom Wind vorangetrieben, so werden darin enthaltene Pflanzensamen verteilt, die dann an geeigneten Standorten wachsen können.

Wir sind nun schon drei Stunden unterwegs, in der letzten Stunde fährt Kevin mit ins noch weiter in die Namib hinein. Über Dünen geht es bergauf und bergab. Um möglichst wenige Spuren hinter zulassen, fahren alle Jeeps die gleiche Strecke ab. An manchen Dünenkämmen entdecken wir einen schwarzen Schimmer. Auf den ersten Blick sieht das wie Dreck aus. Auch die Farbe der Dünen ändert sich, mal sind sie hellbraun, mal rötlich. Zwischen den Dünen befinden große, flache Areale in Weiß.

Magnetit liegt auf den Dünen

Wir lernen, dass die Farbe der Sanddünen abhängig von den darin enthaltenen Mineralien sind. Die Rotfärbung der Dünen entsteht durch den Eisengehalt im Sand. Das Eisen rostet und färbt die Düne rot ein.

Die weißen Flächen zwischen den Dünen sind aus Gips und besonders empfindlich. Noch deutlich sind die die Spuren der Quads und Autos zu sehen, obwohl es schon Jahrzehntelang verboten ist, hier zu fahren.

Doch was hat es nun mit dem schwarzen, vermeintlichen Dreck auf den Dünen auf sich? Hierbei handelt es sich um Magnetit. Kevin holt einen Magneten aus seiner Hosentasche und umwickelt ihn mit einem Tuch. Dann hält er den Magneten über diese schwarzen Stellen. Sofort werden die Magnetit Kristalle von dem Magneten angezogen.

Magnetit

Wusstest du, dass die steile Seite der Düne überall auf der Welt einen Winkel von 35° hat. Wir wussten das nicht. Wahrscheinlich reicht diese Gradzahl gerade noch aus, um den Sand zu halten.

Nach ca. vier Stunden geht diese großartige Tour dann doch noch zu Ende. Es war ein absolutes Highlight auf unserer Namibia Rundreise. Vier der fünf Little Five dürften wir erleben, dazu noch andere kleinste Tiere. Kevin, unser Guide, würde nicht müde, unsere Fragen zu beantworten.

Spurensuche

Nach diesem intensiven Vormittag sind unsere Sinne geschärft und unsere Reise geht weiter. Inzwischen sehen wir immer wieder Tierspuren im Sand. Im Deadvlei, dem trockensten Ort in Namibia, mitten in der Namib Wüste entdecken wir dann noch einen Nebeltrinker und einen „Bulldozer“ im Sand.

Nebeltrinker im Deadvlei

Der „Bulldozer“ ist eine Art Mistkäfer. Er gräbt ein Loch in den Wüstensand und schaufelt dabei systematisch den Sand dafür aus dem Loch hinaus. In die entstandene Höhle wird dann ein Eier und eine Dungille abgelegt. So hat die Brut ausreichend Nahrung. Wir konnten hier beobachten, dass die ganze Zeit eine Fliege kurz oberhalb der Höhle herumflog. Die Fliege hat für sich entdeckt, dass so ein Brutloch auch für sie ganz praktisch sein kann, legt sie doch einfach ihre Eier mit dazu – ähnlich dem Kuckuck, der ja bekanntlich auch seine Eier anderen Vogeleltern unterjubelt.

„Bulldozer“-Mistkäfer
Der Mistkäfer schaufelt oder schiebt den Sand aus seiner Bruthöhle. Eine Fliege schwebt darüber und wartet auf ihren Moment der Eiablage.

Solltest du mal nach Namibia reisen, dann empfehle ich dir unbedingt die Living Dessert Tour. Es lohnt sich wirklich!

Den gesamten Reisebericht und was wir sonst noch erlebt haben kannst du hier nachlesen.

Herzliche Grüße, Birgit

Tags:
3 Kommentare
  • Sylvia Tornau
    Posted at 23:32h, 08 April Antworten

    Auch wieder diesen Beitrag und die großartigen Fotos ein dickes Dankeschön. Was ich auf jeden Fall mitnehme: für so eine Reise braucht es eine ordentliche Kamera und vermutlich auch ein Teleobjektiv. Da lasse ich mich dann von dir beraten, denn deine Fotos sind spektakulär. Selbst der Magnetit sieht aus wie ein exotischer Igel. Ich mag den Gedanken, dass es für all diese wunderbaren Mini-Geschöpfe einen eigenen Nationalpark gibt. Wundervolle Wesen. Neben den Fotos hat mich am meisten die Geschichte des Tok Tok Käfers fasziniert, allein der Name Nebeltrinker regt meine Fantasie an. Den werde ich wohl in eine Geschichte einbauen :-). Liebe Grüße Sylvia

  • Pingback:KW14/2024: Alle TCS-Blogartikel - The Content Society
    Posted at 04:22h, 08 April Antworten

    […] Die Wüste lebt – Spurensuche, kleine Tiere und Wüstenmüsli […]

  • Anita Griebl
    Posted at 10:45h, 07 April Antworten

    Liebe Birgit, welch ein interessanter und informativer Artikel. Ich habe ihn mit Freude gelesen und bewundere die wunderschönen Fotos.
    Ich fühlte mich, als wäre ich dabei.
    Herzlichen Dank für die tollen Einblicke in eure Reise.

    Herzliche Grüße von Anita

Sende ein Kommentar

Felder mit * sind Pflichtfelder. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.