Der Bodyscan

Der Bodyscan

Wer sich mit Achtsamkeit beschäftigt, kommt um ihn nicht herum: den Bodyscan. In einem Achtsamkeitskurs ist der Bodyscan die erste Achtsamkeits- und Meditationsübung, die du kennenlernen und üben wirst. Dabei wird die Aufmerksamkeit auf verschiedene Teile des Körpers gelenkt, um ganz bewusst die Empfindungen dort wahrzunehmen. Du tastest deinen Körper von innen ab, Stück für Stück. Jeder Teil deines Körpers wird so wahrgenommen, wie er sich gerade jetzt in diesem Moment anfühlt. Es geht um eine Wahrnehmung ohne Bewertung, ohne Ideen, wie es sein soll, oder wie du es gerne hättest. Der Bodyscan ist eine ehrliche Betrachtung deines Körpers und deiner Körperempfindungen. Du lernst dich, deinen Körper, deine Gedanken und deine Gefühle zu deinem Körper immer besser kennen.

Der Bodyscan kann sowohl im Liegen als auch im Sitzen durchgeführt werden. Am Anfang kann eine geführte Anleitung sinnvoll sein. Mit fortschreitender Übungspraxis bist du schnell in der Lage, den Bodyscan auch selbstständig durchzuführen. Richtest du den Fokus auf ein Körperteil, ist dort eventuell ein Kribbeln oder Pochen, Wärme oder Kühle, Schwere oder Leichtigkeit zu spüren, vielleicht spürst du auch gar nichts. Werde dir bewusst, dass auch ein Nicht-Spüren eine Wahrnehmung ist.

Sehr wahrscheinlich sind ebenfalls auftauchende Gedanken oder Gefühle, die dich von dem zu beobachtenden Körperteil ablenken. Sobald du dies bemerkst, erlaubst du deinen Gedanken weiterzuziehen und kehrst einfach mit deiner Aufmerksamkeit an die Körperstelle zurück.

Der Bodyscan ist eine Wertschätzung an deinen Körper. Du erlaubst dir, die Signale deines Körpers bewusst wahrzunehmen. Im Alltag geht diese Wahrnehmung oft unter und du hast vielleicht selber schon einmal erlebt, dass du Signale deines Körpers ignorierst.

Je nachdem, wie du die Übung gestaltest, dauert der Bodyscan zwischen 20 und 45 Minuten.

Positive Auswirkungen des Bodyscans

Unangenehmen Empfindungen

Der Körper sendet ununterbrochen Signale aus. Viele davon werden gar nicht wahrgenommen. Oft werden die unangenehmen Körperempfindungen wie Schmerzen und Verspannungen stärker wahrgenommen als angenehme Empfindungen. Manchmal wird auch generalisiert: „Mein ganzer Körper tut mir weh.“ Beim genauen Hin spüren stellst sich vielleicht heraus, dass es ja gar nicht der ganze Körper ist, sondern ein bestimmter Teil oder eine bestimmte Körperregion. Mit dem Bodyscan lernst du also, alles ganz genau zu untersuchen und zu spüren, wo es angenehm und wo es unangenehm ist.

Stress

Stress ist allgegenwärtig, im Beruf, in der Familie und auch in der Freizeit. Stress führt zu einem erhöhten Cortisolspiegel im Blut. Dieser führt wiederum zu Anspannung, die Immunantwort wird gesenkt, der Blutdruck steigt, Angst und ein Gefühl der Überforderung tritt ein und vieles mehr. Mithilfe des Bodyscans kannst du lernen, dass es in Ordnung ist zu fühlen und wahrzunehmen, was gerade ist, ohne Wenn und Aber. Du darfst sein, alles darf sein. Du bekommst ein tieferes Gespür für den Zusammenhang von Körper und Geist. Auf diese Weise kannst du Stress schneller abbauen.

Du lernst dich selbst besser kennen

Während eines Bodyscan können ganz unterschiedliche Gefühle und Empfindungen auftreten, wie Langeweile, Ärger, Ungeduld, Trägheit, Unzufriedenheit, Schmerz usw. Du versuchst alle deine Empfindungen möglichst wert- und vorurteilsfrei wahrzunehmen. Es ist ein bisschen so, als würdest du das aushalten und warten, bis sie vorbei sind. Du bleibst freundlich, wertschätzend und wohlwollend dir selbst gegenüber. Deine Selbstwirksamkeit dir selbst gegenüber wird langsam und stetig wachsen. Du lernst zu entscheiden, wie du dem Unangenehmen begegnen möchtest. Gelassenheit und Mitgefühl mit dir selbst entstehen mehr und mehr.

Bewusstseinstraining

Der Geist ist ständig auf der Suche nach Beschäftigung, vornehmlich mit Dingen im Außen und weniger mit sich selbst. In der Achtsamkeit spricht man auch vom Affengeist. Wie ein Äffchen von Ast zu Ast, von Baum zu Baum hüpft und ständig in Bewegung ist, so ist auch unser Geist immer in Bewegung. Mithilfe des Bodyscans lernst du, deinen Affengeist zu zähmen und wieder einzufangen. Du nimmst deine Gedanken wahr und kehrst mit deiner Aufmerksamkeit liebevoll zu deinem Körper zurück. Wie bei einem Spiel beobachtest du dieses Hin und Her und lächelst dir dabei zu.

Was benötigst du für den Bodyscan

Du wählst für den Bodyscan einen dir angenehmen Ort, wohltemperiert und wo du für eine Weile ungestört sein kannst. Du kannst die Übung liegend, auf einer Matte, auf dem Boden oder auch in einem Sessel machen. Wichtig ist, dass du gut für dich sorgst. Wenn du eine Decke oder ein Kopfkissen benötigst, dann lege dir alles, was du benötigst, bereit.

Für die Übung kannst du die Augen geschlossen halten oder auch offen lassen, so wie es für dich angenehm ist. Und natürlich ist es dir erlaubt, jederzeit deine Liege- oder Sitzposition zu verändern.

Wenn du mit einer Anleitung den Bodyscan übst, dann überlege dir, wie es für dich passt. Du kannst Kopfhörer benutzen oder auch Lautsprecher, die Lautstärke ist für dich genau richtig.

Anleitung des Bodyscans

  1. Lege dich auf den Rücken oder sitze dich in einen Sessel. Die Arme sind seitlich vom Körper abgelegt. Dann gehe mit deiner Aufmerksamkeit zur Rückseite deines Körpers. Du spürst das Gewicht des Körpers auf der Matte und nimmst die Punkte wahr, die die Unterlage oder den Sessel berühren.
  2. Du spürst deine Atmung. Sie kommt und geht. Du nimmst wahr, dass du atmest. Für einen Moment beobachtest du die Einatmung und die Ausatmung, die Körperbewegung im Einklang mit deinem Atem.
  3. Nun gehe mit deiner Aufmerksamkeit zu deinen Füßen. Spüre die Zehen, die Fersen, die Fußgelenke, die Ober- und Unterseite der Füße.
  4. Dann weiter zu den Knien und zu den Oberschenkeln.
  5. Spüre beide Beine in ihrer gesamten Länge. Gibt es einen Unterschied zwischen dem rechten und linken Bein?
  6. Als nächstes nimm das Gesäß wahr und den unteren Rücken
  7. Dann taste die Wirbelsäule Wirbel für Wirbel nach oben hin ab. Du spürst die Rippen an der Rückseite des Körpers und nimmst die Atembewegung im Rücken wahr.
  8. Deine Aufmerksamkeit wandert nun zur Vorderseite des Körpers in den Bauchraum, in den Brustkorb. Auch hier ist eine Atembewegung zu spüren, ein sanftes Heben und Senken mit der Ein-und Ausatmung
  9. Du spürst deine Arme rechts und links neben dem Körper liegen und richtest die Achtsamkeit auf die Hände. Je nachdem wie die Hände liegen, kannst du die Handrücken, die Handinnenflächen oder die Finger im Kontakt mit der Matte spüren.
  10. Als nächstes spüre dein Gesicht mit den Augenbrauen, den Lidern, den Augen, der Nase. Du nimmst deinen Mund wahr mit den Lippen, der Zunge im Gaumen, den Zähnen und dem Ober- und Unterkiefer.
  11. Dann spüre die Ohren und die Haare an deinem Kopf oder eben keine Haare, je nachdem.
  12. Zu guter Letzt nimm deinen Körper in deiner Gesamtheit wahr, in seiner Ausdehnung.
  13. Wenn du den Bodyscan beendest, dann atme ein paar Atemzüge tief ein und aus und beginne langsam den Körper zu bewegen. Zuerst bewegen sich die Füße und Hände, du reckst und streckst und rollst dich auf eine Seite. Hier bleibst du nicht für ein paar Atemzüge liegen, öffnest wieder deine Augen, falls geschlossen. Du orientierst dich wieder im Raum und richtest dich auf.

Wie schon beschrieben, geht es beim Bodyscan einfach um deine Wahrnehmung im jetzigen Moment. Es ist nicht wichtig, was du wahrnimmst oder spürst oder gar nicht spürst. Alle Empfindungen oder Nichtempfindungen werden ohne Wertung, ohne Beurteilung, mit Freundlichkeit betrachtet. Es gibt kein Richtig oder Falsch.

Herausforderungen beim Bodyscan

Gerade wenn du mit dieser Übung anfängst, können auch Schwierigkeiten auftreten. Das ist erst einmal völlig normal. Wichtig ist, dass du dranbleibst und einfach weiter übst. Ich empfehle dir, den Bodyscan und weitere Meditationspraxen im Rahmen eines Achtsamkeitskurses zu erlernen. So hast du immer einen Ansprechpartner, wenn Probleme und Fragen auftauchen.

Einschlafen

Du schläfst beim Bodyscan ein und wachst erst am Ende wieder auf. Es kann sein, dass du in einer Phase bist, wo dein Körper einfach mehr Schlaf benötigt und so jede Gelegenheit zum Schlaf nutzt. Wenn du den Bodyscan im Bett durchführst, ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass du einschläfst, da du darauf programmiert bist, im Bett zu schlafen. Dann lege dich mit einer Matte oder Unterlage in einen anderen Raum.

Experimentiere, welche Uhrzeit für den Bodyscan für dich geeignet ist.

Du kannst eine andere Position für den Bodyscan einnehmen und dich auch in einen Sessel setzen.

Auch ich bin am Anfang regelmäßig beim Bodyscan eingeschlafen, meist sogar schon nach der Betrachtung eines Beines. Aufgewacht bin ich durch den Klang der hellen Klangschale ganz am Ende. Dennoch habe ich einfach weitergemacht. Heute bleibe ich in den allermeisten Fällen bis zum Ende wach und aufmerksam.

Langeweile und Ungeduld

Wie schon erwähnt, möchte unser Geist gerne unterhalten werden. Sobald er etwas kennt, will er was Neues. Da der Bodyscan in seinem Ablauf immer sehr ähnlich ist, kann auch Langeweile oder Ungeduld auftauchen. Du bist eingeladen, genau diese Phänomene mit Freundlichkeit zu untersuchen. Was genau ist langweilig im Bodyscan und kennst du das? Was tust du in der Regel gegen Langeweile? Was ist dein Gegenmittel gegen Ungeduld? Und was wird passieren, wenn du einfach weitermachst, der Anleitung Schritt für Schritt folgst?

Schmerzen

Der Bodyscan oder Meditation sind kein Ersatz für eine medizinische Behandlung. Starke Schmerzen werden vorher mit deinem behandelten Arzt oder Ärztin abgeklärt. Beim Bodyscan ist der Körper unser Meditationsobjekt. Es kann passieren, dass sich starke oder unangenehme Empfindungen in den Vordergrund stellen und deine gesamte Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Du kannst deinen Fokus ganz gezielt in diese Körperregion lenken, um bewusst zu entspannen. Eine andere Möglichkeit ist, deinen Atem mit einer Visualisierungsübung zu verbinden. Du stellst dir vor, wie mit jeder Einatmung frische und neue Energie zu der schmerzenden Stelle fließt und wie die Ausatmung alles Verbrauchte und vielleicht sogar den Schmerz mitnimmt und den Körper verlässt.

Nichts Spüren

Es kann auch sein, dass du während des Bodyscan nichts spürst. Kein Pochen, kein Kribbeln, keine Wärme, keine Kühle oder eine andere Empfindung, einfach nichts. Mir geht es auch heute manchmal so. Dann bewege ich mal kurz die Zehen oder die Hände, obwohl ich das eigentlich lassen soll. Ich stelle mir die Frage, wieso spüre ich nichts oder was sollte ich dort spüren?

Wichtig ist, die selbst keinen Druck zu machen. Jeder Bodyscan ist einzigartig, anders, einmalig und immer wieder neu. Es geht lediglich um deine Fähigkeit der Wahrnehmung. Und wenn du bemerkst, dass du nicht wahrnimmst, dann ist das auch eine Wahrnehmung.

Zeitmangel

In meinen Kursen stelle ich zu Beginn der Kursstunde immer wieder die gleiche Frage: „Wie hast du es geschafft, zu Hause zu üben?“ Und oft bekomme ich folgende Antworten: „Ich hatte dazu keine Zeit. Der Tag war so anstrengend, da habe ich die Übung nicht geschafft. Am Abend schlafe ich immer ein, da lasse ich das besser. Ich schaffe es nicht, morgens früher aufzustehen.“

Bis sich eine stabile Meditationspraxis eingestellt hat, dauert das eine Weile. Für den Bodyscan mit Anleitung benötigst du ca. 30 Minuten. Übst du frei, kann er kürzer oder länger sein.

Und nun beantworte dir selbst einmal die Frage, wie viele Minuten du am Tag für „Unsinniges oder unnützes“ verstreichen lässt? Bei mir persönlich kommen da mehr als 30 Minuten zusammen. Meine Ausbilderin hat einmal zu der Zeitfrage gesagt: „Wie muss dein Tag sein, wenn du noch nicht einmal 30 Minuten Zeit für eine Meditation hast?“ Ich bin mir ganz sicher, dass jeder zwischen 10 und 30 Minuten Zeit für eine Meditation am Tag hat.

Was der Bodyscan nicht ist

Beim Bodyscan geht es um das Erlernen und Anwenden von Achtsamkeit. Er ist keine Entspannungstechnik wie progressive Muskelentspannung oder autogenes Training, auch wenn entspannte Zustände beim Bodyscan entstehen können. Der Bodyscan hat kein letztendliches Ziel. Es ist eine Methode, ein Training, eine Schulung der Achtsamkeit und des freundlichen Umgangs mit dir selbst.

Und nun wünsche ich dir Freude und neue Erfahrungen mit der Achtsamkeit und dem Bodyscan. Herzliche Grüße, BIrgit

5 Kommentare
  • Pingback:KW04/2024: Alle TCS-Blogartikel - The Content Society
    Posted at 03:36h, 29 Januar Antworten

    […] Der Bodyscan […]

  • Pingback:Finde den Weg zu dir selbst: Selbstfindung als Prozess - Sylvia Tornau
    Posted at 20:07h, 28 Januar Antworten

    […] was dein Körper dir über deine Bedürfnisse, Ängste und Freuden mitteilt. Techniken wie Bodyscan, Achtsamkeitsübungen oder sogar einfache Wahrnehmungs– oder Atemübungen helfen dir, eine […]

  • Sylvia Tornau
    Posted at 19:48h, 28 Januar Antworten

    Liebe Birgit, Danke für deinen ausführlichen Bodyscan-Artikel. Du hast alles hineingepackt, was es dazu zu erzählen gibt und dann auch noch eine Anleitung. Perfekt. Jetzt muss ich diesen Artikel nicht mehr schreiben, sondern verlinke einfach hierher. Herzliche Grüße Sylvia

    • Birgit Buchmayer
      Posted at 05:50h, 29 Januar Antworten

      Liebe Sylvia, vielen Dank!
      Ich freue mich, wenn ganz viele mehr über den Nutzen des Bodyscans erfahren und ihn regelmäßig machen.
      Ganz liebe Grüße, Birgit

  • Marianne Kewitsch
    Posted at 23:21h, 24 Januar Antworten

    Liebe Birgit
    Dein Bodyscan-Artikel ist klasse, so detailliert geschrieben und akribisch erklärt. Jeder kann es einfach ausprobieren. Gerade in der heutigen hektischen Zeit, verlieren sich immer mehr Menschen und können sich gar nicht mehr selbst spüren. Da ist der Bodyscan eine sehr gute Möglichkeit wieder bei sich anzukommen.
    Alles Liebe
    Marianne

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