
15 Juni Mein persönlicher Mut-Satz
Manchmal verlangt das Leben nach Mut, auch wenn es sich gar nicht danach anfühlt. Mut, Dinge zu tun, von denen wir denken, wir könnten sie nicht. Wie eine Art Neuanfang oder Aufbruch ins Ungewisse, die Selbstzweifel hinter sich lassend, kann ein Mut-Satz uns stärken und uns Kraft geben.
Sylvia Tornau fragt in ihrer Blogparade nach einem Satz, der mich trägt, nach einem Mut-Satz. Diese Frage hat mich beschäftigt und hier ist meine persönliche Antwort darauf.
Du schaffst das
Ein Satz an mich selbst gerichtet. Du, das bin ich. Keine Ahnung, wo dieser Satz hergekommen ist, er war irgendwie immer da und begleitet mich durch mein Leben. Diese drei Worte haben mir in vielen für mich schwierigen Situationen geholfen, meine Angst zu überwinden. Eine Angst, die so schwer zu kontrollieren ist, die wie aus dem Nichts auftaucht und sich breit macht. Mit meinem Satz: „Du schaffst das“ spreche ich mir selbst Mut zu, er beruhigt mich und macht mich wieder handlungsfähig. Dieser Satz bildet die Grundlage für die Freude und den Stolz, wenn ich durch die Angst gegangen bin und mein Ziel geschafft oder erreicht habe.
Du schaffst das – beim Klettern
Lange Jahre bin ich geklettert und die erste Zeit nur im Nachstieg. Da war immer jemand, der für mich das Seil in die Karabiner einhing, am Ende der Tour einen Standplatz baute oder eine Umlenkung. Ich konnte dann ganz entspannt mit dem Seil von oben klettern, keine Sturzgefahr mehr, alles war super sicher. Allerdings wurmte mich die Tatsache, dass ich nicht vorsteigen wollte oder konnte. Ich brauchte für mich einen Plan und beschloss, jedes Mal, wenn ich zum Klettern in die Eifel fuhr, mindestens eine Tour am Wochenende vorzusteigen.
So habe also angefangen und jedes Mal eine Tour vor gestiegen. Sobald ich merkte, die Angst fängt an, mich zu lähmen, war da dieser Satz. Du schaffst das. Diese Worte sorgten dafür, dass ich mich nur auf mich konzentrierte, auf den einen Quadratmeter um mich herum, auf den nächsten Griff und den nächsten Tritt. Und dann stand ich oben, mit einem fetten Grinsen im Gesicht, yeah!
Du schaffst das – 2. Staatsexamen
Pharmazie war für nicht gerade ein leichtes Studium. Es gab Unmengen zu lernen, und in drei Staatsexamen wurde das Wissen abgefragt. Das Erste ging mir leicht von der Hand. In vier Fächern wurde ich mit unendlich vielen Multiple-Choice-Fragen geprüft. Gut vorbereitet, habe ich das auch gut geschafft.
Im zweiten Staatsexamen wurde ich dann in vier Fächern mündlich abgefragt, und das war überhaupt nicht meine Stärke. Biologie, Chemie und Pharmakologie liefen gut, doch in pharmazeutischer Technologie bin ich durchgefallen. Sei Versuche hatte ich noch, da machte ich mir keine Sorgen. In der Fachschaft konnte ich einen Fragenkatalog aus vergangenen Prüfungen erstehen. Eine Frage sagte mir überhaupt nicht, und ich dachte, na, die werde ich wohl nicht gestellt bekommen. Also frohen Mutes in die erste Wiederholungsprüfung.
Du ahnst es schon. Der Professor hatte einen Karteikasten mit Fragen und wahrscheinlich war an diesem Tag nur diese eine Frage dort drin. Ich zog also eine Karteikarte aus dem Kasten – und hatte keine Ahnung. Nach 5 Minuten war ich schon wieder draußen, nach 6 Wochen sollte ich wieder kommen und in der Zwischenzeit mich von meinen Mitstudierenden abfragen lassen.
Sechs lange Wochen lernte ich ununterbrochen, ließ mich mehrmals in der Woche abfragen. Jeden Morgen wachte ich mit dem Satz auf: Du schaffst das. Wie ein Mantra wiederholte ich diesen einen Satz, keinen Gedanken an ein mögliches Scheitern wollte ich zulassen. Am Tag der dritten und letzten Prüfung war ich ganz allein in der Uni, die Tür ging auf, ich wurde hineingebeten und erst einmal über die Dinge abgefragt, die ich in den beiden vergangenen Prüfungen nicht beantworten konnte. Danach gab es noch ein paar andere Fragen. Ich wusste einfach alles und habe bestanden. Und ich bin tatsächlich Apothekerin geworden.
Das sind zwei Ereignisse aus meinem Leben und da sind noch viel mehr, in denen mein Satz: „Du schaffst das“, mir Selbstvertrauen und Mut gegeben hat.
Ich darf sein
Ein weiterer Mut-Satz, der sich in den letzten Jahren entwickelt hat und für mich ein Satz mit großer Kraft. Er ist wie eine Erkenntnis, eine Weisheit oder ein Moment der Erleuchtung. Auf einmal war er da und dieser Satz fühlt sich so wohltuend und befriedend an. Dieser Satz bewegt etwas in mir, was lange verschüttet war. Ich darf sein. Ich muss nichts leisten, nicht funktionieren, nicht gefallen, nur sein. Dieser Satz tritt an die Stelle meiner Glaubenssätze, die mich an mir zweifeln lassen und mich klein halten:
- Du bist nicht richtig.
- Wenn du dich nicht anstrengst, dann …
- Du bist der Welt egal.
Wenn ich draußen in der Natur bin und ich in Verbindung mit mir selbst bin, dann spüre ich deutlich, wie alles sein darf, wie ich ein Teil von allem bin und dass alles genauso richtig ist wie in diesem Moment.
In einer Welt, die oft laut, schnell und fordernd ist, ist dieser Satz ein Akt von Selbstliebe und Mut. Wenn ich mir erlaube, nicht perfekt zu sein, sondern einfach nur ich, geschieht etwas ganz Wunderbares: Ich komme bei mir an. Ich darf müde sein und mir Ruhe gönnen. Ich darf traurig sein, ohne mich erklären zu müssen. Ich darf ohne Grund fröhlich sein und tanzen. Ich darf Fehler machen und werde trotzdem geliebt.
Ich darf sein – Du schaffst das
Zwei Sätze, jeweils drei Worte, die mich nun in meinem Leben begleiten. Jeder darf für sich alleine stehen oder auch gemeinsam. Sie sind für mich ein Anker in Zeiten, in denen ich zweifle, wütend werde, ungerecht mir selbst gegenüber bin, ich mich selbst nicht sehe oder mich herabwürdige. Sie stehen für eine starke Frau mit viel Eigenverantwortung, Selbstvertrauen und Mitgefühl für sich selbst.
Vielleicht wäre mein Leben ohne diese Sätze anders verlaufen, ich weiß es nicht. Sie haben mich zu der Frau gemacht, die ich heute bin und (meistens) sein möchte.
Mutmachende Grüße, Birgit
Sylvia Tornau
Posted at 12:40h, 18 JuniLiebe Birgit, wie du den Satz „Du schaffst das“ nicht nur beschreibst, sondern ihn in ganz konkrete Situationen deines Lebens hineinlegst, das macht ihn so greifbar und glaubwürdig. Ich spüre beim Lesen, wie dieser Satz dich wirklich getragen hat: beim Klettern, im Studium, im Umgang mit Angst. Und mit jedem Abschnitt ist dein wachsendes Vertrauen spürbar. Ich bin überzeugt davon, dass du mit diesem Satz und der Beschreibung der Situationen, in denen er dich getragen hat, auch andere erreichst, dass er auch andere tragen kann.
Ganz besonders aber hat mich dein zweiter Satz „Ich darf sein“ berührt. In diesem schwingt so ein tiefes inneres Ankommen mit. Ich selbst habe lange, bis Mitte meiner 30er-Jahre, gebraucht, mir diese Erlaubnis zu geben. „Ich darf sein“ – in diesem Leben, so wie ich bin. Auch mir hat dieser Satz, so wie dir auch, inneren Frieden geschenkt. Er ist so eine heilsame Antwort auf alte und klein machende Glaubenssätze, die so viele von uns kennen.
Dein Beitrag ist für mich so viel mehr als „nur“ eine persönliche Geschichte. Du beschreibst sehr nachdrücklich, wie stärkend Mut- und Selbstannahmesätze im Alltag wirken können. Ich danke dir von Herzen❣️
Verbunde Grüße, Sylvia