Geduld – Stärke oder Schwäche

Geduld – Stärke oder Schwäche

Geduld zu haben ist wertvoll und gleichzeitig sehr herausfordernd. Unsere moderne Welt ist inzwischen geprägt von Schnelligkeit, alles steht zur sofortigen Verfügung, Expresslieferungen und ständiger Erreichbarkeit. Da erscheint Geduld altmodisch und vielleicht sogar unnötig zu sein. Geschwindigkeit und Effizienz haben sicherlich viele Vorteile. Gleichzeitig nimmt die Toleranz für Verzögerungen, Herausforderungen und Ungewissheit ab. 

Geduld ist keineswegs eine Schwäche, sorgt sie doch für überlegte Handlungen und hilft uns, langfristige Ziele zu erreichen.

Geduld ist eine der wertvollsten, aber auch herausforderndsten Tugenden. In einer Welt, die von Sofortigkeit geprägt ist – mit schnellem Internet, Expresslieferungen und Instant-Messaging – scheint Geduld oft altmodisch oder gar unnötig. 

Warum fällt es uns so schwer, geduldig zu sein? Welche Vorteile hat Geduld für unser Leben? Und wie können wir sie gezielt kultivieren?

Warum ist es so schwer geduldig zu sein?

Geduld widerspricht der menschlichen Natur, zumindest auf den ersten Blick. Unser Gehirn ist darauf programmiert, schnelle Belohnungen zu bevorzugen. Dieses Phänomen wird in der Psychologie als „sofortige Bedürfnisbefriedigung“bezeichnet. Sicher kennst das  Marshmallow-Experiment aus den 1970er-Jahren: Kindern wurde ein Marshmallow vor die Nase gesetzt und gesagt, dass sie einen Zweiten bekommen, wenn sie 15 Minuten warten, ohne den Ersten zu essen. Diejenigen, die warten konnten, hatten später im Leben mehr Erfolg, bessere soziale Fähigkeiten und eine höhere Frustrationstoleranz.

In der heutigen Gesellschaft wird das Warten immer seltener:

  • Technologien wie Streaming Dienste ermöglichen uns direkten Zugriff auf Musik und Filme und verkürzen damit die Wartezeit.
  • Informationen stehen uns mit einem Klick zur Verfügung.
  • Soziale Medien verstärken unser Bedürfnis nach sofortiger Anerkennung durch „likes“.
  • Lieferdienste bieten uns die Gelegenheit, fast alles unmittelbar zu bekommen, sei es Essen, Kleidung, Bücher oder Technik.

Diese ständige Verfügbarkeit von allem führt dazu, dass unser Gedulds-Muskel schwächer wird. Wir verlieren die Fähigkeit, auf etwas hinzuarbeiten, Hindernisse auszuhalten und den Wert langfristiger Ziele zu erkennen.

Warum es sich lohnt geduldig zu sein?

Geduld ist weit als nur warten oder abwarten. Sie ist eine aktive Fähigkeit, trotz Herausforderung gelassen zu bleiben und Frustrationen auszuhalten. Sie hilft uns, auf langfristige Ziele hinzuarbeiten. Wer Geduld hat, lebt viele Vorteile.

  • Geduld reduziert Stress: Während Ungeduld oft zu Frustration und Ärger führt, lehrt uns Geduld, dass nicht immer alles sofort passiert. Wenn wir das akzeptieren, reduziert sich der innere Stress
  • Geduld führt zu besseren Entscheidungen: Wenn wir ungeduldig werden, handeln wir oft impulsiv. Schnelle Entscheidungen können zu Fehlern führen. Geduld hilft, die Dinge noch einmal zu überdenken. Dadurch entstehen mehr Wahlmöglichkeiten und unter Umständen andere Entscheidungen.
  • Geduld stärkt unsere Resilienz
  • Das Leben verläuft selten linear. Herausforderungen, Rückschläge und unerwartete Hindernisse gehören dazu. Geduld hilft uns, schwierige Zeiten auszuhalten, ohne aufzugeben. Sie gibt uns die Kraft, Rückschläge nicht als endgültiges Scheitern zu sehen, sondern als Teil eines längeren Prozesses.
  • Geduld verbessert zwischenmenschliche Beziehungen: Konflikte entstehen oft durch Ungeduld. Wir lassen andere nicht ausreden, setzten sie unter Druck und erwarten sofortige Antworten oder Handlungen, sei es in der Familie, in Freundschaften oder am Arbeitsplatz. Geduld hilft dabei, dem anderen seinen Raum zu lassen und ihm Zeit zu geben.
  • Geduld führt zu Erfolg: Ob im Sport, in der Arbeit oder in der persönlichen Entwicklung, alles braucht seine Zeit. Mit Geduld können wir besser mit Rückschlägen umgehen und machen einfach weiter.
  • Geduld macht zufriedener: Wenn wir geduldiger sind, können wir den Prozess mehr genießen. Wir haben dann nicht nur das Endziel im Auge, sondern erfreuen uns auch an kleinen Fortschritten.

Wie du Geduld entwickelst

Geduld ist wie ein Muskel, der ständig trainiert werden will. Hier sind einige Übungen und Strategien, diesen Geduldsmuskel zu stärken:

  • Achtsamkeit üben: Achtsamkeit hilft, den Moment bewusst wahrzunehmen und nicht ständig nach dem „Nächsten“ zu jagen. Eine einfache Übung: Wenn du ungeduldig wirst, atme tief ein, zähle bis fünf und frage dich: Ist es wirklich schlimm, wenn es etwas länger dauert?
  • Bewusstes Atmen: Wenn du ungeduldig wirst, halte einen Moment inne. Atme tief ein und aus, zähle langsam bis zehn. Das hilft, den Drang nach sofortigem Handeln zu kontrollieren und ruhiger zu reagieren.
  • Perpektivwechsel: Wenn du Ungeduld verspürst, frage dich, warum du es so eilig hast? Was genau passiert, wenn ich jetzt warte?
  • Längere Prozesse bewusst genießen:
    • Ein Buch wirklich zu Ende lesen und nicht von hinten anfangen.
    • Auf den nächsten Online-Einkauf verzichten und wenn es möglich ist, dabei den Einzelhandel vor Ort unterstützen.
    • Beim Kochen sich auf das Kochen an sich konzentrieren und weniger auf das Essen danach.
  • Sich bewusst Wartezeiten aussetzen:
    • Im Supermarkt an der Kasse die längere Schlange auswählen oder jemanden vorlassen
    • Normalversand statt Express wählen und auf das Produkt warten.
    • Langfristige Ziele wählen, wie zum Beispiel eine Sprache lernen
  • Mit Rückschlägen umgehen: Manchmal erscheint es einem, dass nichts klappen will. Betrachte solche Momente als Geduldstraining und sehe jeden Widerstand als Möglichkeit zu wachsen.
  • Vergebung mit sich selbst: Ungeduld ist menschlich. Da gibt es keinen Grund, sich selbst zu kritisieren oder zu bestrafen. Selbstwertschätzung und Anerkennung sind wichtig, gib dir die Möglichkeit, den nächsten Versuch besser zu machen.
  • Geduld mit Anderen: Wie schnell sind wir ungeduldig mit anderen, weil wir denken, wir selbst können es besser oder schneller. Dadurch schneidest du andere von Lernerfolgen und Erfahrungen ab. Jeder sollte seine Zeit bekommen.

Geduld als Schlüssel zu einem erfüllten Leben

Geduld ist eine unterschätzte Superkraft. Sie hilft uns, klügere Entscheidungen zu treffen, unser Stresslevel zu senken, bessere Beziehungen zu führen und langfristig erfolgreicher zu sein.

In einer schnellen Welt ist Geduld ein Zeichen von Stärke. Sie bedeutet nicht, passiv zu warten, sondern aktiv zu vertrauen, darauf, dass alles zur richtigen Zeit geschieht. Wer Geduld kultiviert, wird nicht nur ruhiger, sondern auch glücklicher. Denn am Ende zählt nicht nur das Ziel, sondern auch der Weg dorthin.

Geduldsprobe

Vor zwei Jahren habe ich auf einer Reise durch Norwegen Wolle zum Stricken gekauft. Mein lieber Mann sollte einen echten Norwegerpulli gestrickt bekommen. Zunächst lagen Wolle und Anleitung in einer Kiste. Im Herbst habe ich mich an das Werk gemacht, Maschenprobe, ausgemessen und angefangen. Als ich bei der Passe angekommen war, merkte ich schon, dass die Anleitung nicht so ganz passte. Ich musste improvisieren. Es stellte sich heraus, dass der gesamte Pulli viel zu weit war, also alles aufribbeln und wieder von vorn anfangen.

Dann habe ich mir überlegt, den Norweger von oben zu stricken. Der Pulli war schon fast ganz fertig, da zeigte sich bei einer Anprobe, dass er nun doch zu eng geworden ist. Wieder kribbelte ich alles auf.

Neuer Versuch, wieder von oben, mit etwas mehr Maschen, einem passenderen Halsausschnitt. Gegenwärtig sieht es so aus, als ob es diesmal klappt. Ich bleibe dran und werde berichten.

Liebe Grüße, Birgit

2 Kommentare
  • Pingback:KW08/2025: Alle TCS-Blogartikel - The Content Society
    Posted at 10:49h, 25 Februar Antworten

    […] Geduld – Stärke oder Schwäche […]

  • Gabi Kremeskötter
    Posted at 10:27h, 22 Februar Antworten

    Liebe Birgit,
    ein sehr gelungener Artikel zur Geduld. Ich weiß, du hast die letzten zehn Artikel während der Blogparade geschrieben, der für die Geduld krönt deine Zehn!
    Absicht oder Zufall? Auf alle Fälle kann ich bestätigen, Geduld ist schwer aufzubringen, aber sie lohnt sich!
    Und dein Beispiel mit der Supermarktkasse zeigt mir, dass ich dazugelernt habe, denn tatsächlich ist mir die Länge der Schlange zu 95 % egal und ich warte eben so lange, wie es braucht 🙂
    Viele Grüße zu dir
    Gabi

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