Gedanken über das Reisen

Gedanken über das Reisen

“Wenn dich einmal das Reisefieber packt, gibt es kein bekanntes Heilmittel, und ich bin gerne bis zum Ende meines Lebens daran erkrankt.” – Michael Palin

Mit dem Reisefieber infiziert bin ich auf die Welt gekommen und das Fieber hält bis heute an. Ganz genau seit 63 Jahren. Reisen gehört für mich zum Leben einfach dazu. Ich lerne ständig etwas Neues über Land, Kultur und Leute dazu. Und selbst den vermeintlich schrecklichsten Orten kann ich noch etwas Positives abgewinnen. Ob ich all´die wunderbaren Orte und Menschen in diesem Leben noch besuchen kann oder werde, weiß ich nicht. Die Liste ist jedenfalls sehr lang und ständig kommt etwas Neues dazu. Sobald ich wieder in meinem wirklich wunderschönen Zuhause bin, beginnt die Suche nach neuen Abenteuern, nach unbekannten Orten und wilden Landschaften.

Julia Pracht hat mich mit Ihrer Blogparade und der Frage: „Wie hat sich dein Reisen verändert?“, angeregt darüber nachzudenken und daraus ist nun dieser Artikel entstanden.

Reisen als Kind mit den Eltern

Unsere Mutter wollte immer nur ein: vier Wochen Sonne am Stück. Also ging es jedes Jahr in den Sommerferien nach Italien. Alle italienischen Touristenhochburgen wurden bereist, Cesenatico, Jesolo, Lignano und Spotorno. Nach dem Frühstück wurden die Liegen im Bagni am Strand belegt. Zum Mittagessen wieder zurück ins Hotel, danach ein Nickerchen. Am Nachmittag war wieder Strand angesagt und pünktlich um 18:00 h, wenn es am Strand am schönsten ist, mussten wir wieder zurück ins Hotel. Duschen, Chip anziehen und ab zum Abendessen.

Irgendwann überredeten wir unsere Mutter eine Ferienwohnung. Zwar mussten wir dann selbst kochen, hatten dadurch viel mehr Freiraum und blieben an den meisten Tagen den gesamten Tag bis in den Abend hinein am Strand.

Da war ich vier Jahre alt, neben mir mein Papa. Wir sind in Venedig am Canale Grande auf der Akademie-Brücke. Im Hintergrund ist die Kirche Santa Maria della Salute zu erkennen.

Das Beste an den Reisen mit meinen Eltern war allerdings die Rückreise. Dafür plante unser Vater 4 -5 Tage ein und in diesen Tagen erlebten wir die tollsten Dinge. Da ging es mal nach Venedig, mal mit der Zahnradbahn von Zermatt auf den Gorner Grad hinauf oder in einem anderen Jahr den Rhein hinunter über die Via Mala, die Rofla Schlucht und den Rheinfall bei Schaffhausen. Ein anderes Mal Besuchten wir das Elsaß oder blieben vier Tage in Florenz. Diese Rückreisen waren allesamt einmalig, sind mir in Erinnerung geblieben und haben wahrscheinlich meinen Reisestil heute sehr geprägt.

Reisen als junge Erwachsene

In dieser Zeit sind wir hauptsächlich zum Klettern in die Provence gefahren oder in die Berge zum Wandern. Wir waren mit Rucksack, Zelt und Schlafsack unterwegs, das Leben konnte nicht einfacher sein. Wir blieben immer ein paar Tage am gleichen Ort, um zu klettern, die örtlichen Märkte zu besuchen oder auch mal einen Ausflug in die Umgebung zu machen.

Einmal habe ich mit einer Jugendgruppe des Alpenvereins den GR21 auf Korsika gemacht. Wir hatten wirklich alles dabei und mein Rucksack war mir viel zu schwer. Netterweise konnte ich meinen Essenssack von etwa 8 kg an die starken Jungs in der Gruppe abgeben. Jeden Tag ging es 1000 Höhenmeter hoch und wieder hinunter. Korsika wird dabei von Nord nach Süd durchquert. Natürlich waren wir im Hochsommer unterwegs, deshalb starteten wir schon frühmorgens, um der Hitze des Tages zu entgehen. In jeden Badegumpen wurde zur Abkühlung gesprungen. Wir fühlten uns einfach frei.

Nach dem Studium wurde ein lang ersehnter Traum von mir wahr. Wir, also mein Ingo und ich, flogen nach Kathmandu und umrundeten in 19 Tagen den Annapurna. Diese Reise hat mich nachhaltig geprägt und die Erinnerungen daran sind immer noch so lebendig, als wäre es gestern geschehen. Das Trekking war von Anfang an ein einziges Abenteuer. Eigentlich wollten wir unsere beiden Rucksäcke selbst tragen, zum Glück entschieden wir uns ganz spontan für Himal, einen jungen Sherpa, der sich als Träger Geld verdiente. Ohne ihn hätten wir diese Tour nicht geschafft und ohne ihn hätten wir nicht ganz privat bei nepalesischen Familien übernachten können. Wir hätten keine buddhistischen Klöster besucht und kein getrocknetes Yakfleisch probiert. Uns machte das Gehalt, welches wir Himal bezahlten, nicht ärmer. Er machte das Trekking für uns jeden Tag durch die Erlebnisse reicher.

Reisen mit der eigenen Familie

Unsere Tochter war gerade mal 3,5 Monate alt, als wir mit ihr nach Mallorca geflogen sind. Natürlich hatten wir wieder einmal alles dabei: Kinderwagen, Maxi-Cosi, Windeln und eine große Menge an Klamotten. Sie war ein unkompliziertes Stillkind und schlief viel. Zwei Jahre später ging es mit unserem Sohn ebenfalls schon ganz früh auf Reisen. Beide Kinder haben sich mit dem Reisefieber anstecken lassen, was auch bis heute anhält.

Als die beiden 9 und 11 Jahre alt waren, sind wir gemeinsam als Familie auf ein Trekking nach Ladakh geflogen. Ladakh gehört zu Indien und liegt auf dem tibetischen Hochplateau, also 3500 m hoch. In dieser Höhe geht alles viel langsamer und jeder musste mindestens 4 Liter Wasser oder Tee am Tag trinken, um nicht höhenkrank zu werden. Nach einer Woche in der Hauptstadt Leh gingen wir auf Trekkingtour. Wir machten ein sogenanntes Homestay Trekking und wanderten von Dorf zu Dorf, wo wir bei Familien übernachteten. Für einen kurzen Moment wurden wir alle Teil der Familie, dürften in der Küche sitzen und mitkochen, tibetisches Bier trinken und versuchten uns mit Händen und Füßen zu unterhalten. Einen Google-Übersetzer hatten wir nicht, ein fähiges Internet fehlte vollständig. Wir waren buchstäblich analog unterwegs.

In Ladakh besuchten wir erst einmal unser Patenkind im Kloster bei Leh. Die Drei verstanden sich auf Anhieb.

Familienabend auf ladakhisch.

Zwei Jahre später flogen wir wieder als Familie nach Nepal, wir wollten mal den Mount Everest sehen. Von Kathmandu aus ging ein Flug mit einer kleinen Propellermaschine nach Lukla. Schon auf dem Hinflug hatten wir eine großartige Aussicht auf den Himalaya und sahen den höchsten Berg der Welt. 10 Tage waren wir insgesamt unterwegs, Tengboche war unser Ziel, danach wanderten wir wieder zurück nach Lukla. Der Blick auf den Mount Everest ist gewaltig, der Berg ist riesig und sehr beeindruckend.

Wenn wir nicht auf Trekkingtouren gingen, dann machten wir meist Urlaub irgendwo in Europa und mieteten uns ein Ferienhaus. Auch hier waren wir in der Regel sehr aktiv, Klettern, Kanu fahren, Wandern oder Rad fahren standen auf dem Programm.

Reisen heute

Ohne die Kinder besuchten wir noch einmal Ladakh für ein Trekking und umrundeten in Tibet den heiligen Berg Kailash. Wir haben mehrere Patenkinder in Ladakh und Nepal, die wir auf unseren Reisen auch besuchen konnten.

Auf 5660m Höhe in Ladakh

Der Kailash Tibet

Inzwischen sind wir mit dem Camper unterwegs. Für mich persönlich ist dabei ein langgehegter Traum in Erfüllung gegangen. Mit dem Van erkunden wir Europa und genießen dabei eine neu gewonnene Freiheit. Das eigene Bett, die eigene Toilette und eine kleine Küche dabeizuhaben machen das Reisen für mich vollkommen unabhängig. Ist uns das Wetter zu schlecht, reisen wir einfach der Sonne hinterher. Wir buchen keine Campingplätze vor, sondern bleiben spontan. Bisher haben wir so wunderbare Übernachtungsplätze gefunden. Einmal standen wir in den Bergen im Aostatal auf einem Wanderparkplatz und waren am Abend von Steinböcken umgeben. Oder wir bekamen einen Tipp von Einheimischen, einen bestimmten Ort anzufahren und hatten von dort eine großartige Aussicht auf den Comer See. Und natürlich gibt es jede Menge wunderschöner Campingplätze oder wir stehen privat auf Bauernhöfen.

Unterwegs an den Schlössern der Loire finden wir einen ruhigen Stellplatz auf einem Weingut.

Zu Beginn unserer Camperreisen wechselten wir regelmäßig den Platz, manchmal sogar jeden Tag. Das hat sich inzwischen geändert. Heute bleiben wir gerne drei oder vier Tage an einem Ort und erkunden dort entweder zu Fuß oder mit dem Rad die Umgebung. So sehen wir vielleicht nicht alles, dafür sind die Aufenthalte intensiver, frei nach dem Motto: weniger ist mehr. Im letzten Jahr haben wir eine geführte Campertour durch Namibia gemacht. Da mussten wir ja mit der Herde ziehen und wären so gerne an manchen Orten länger geblieben. Deswegen ziehen wir auch gerne alleine los und sind dadurch freier in unseren Entscheidungen oder mit unseren besten Freunden, die genauso reisen wie wir.

Reiseplanung

Meist plane ich unsere Reisen allein, und mein lieber Mann lässt sich überraschen. Dabei bin ich noch ganz old School unterwegs und kaufe oder leihe mir dafür Bücher und Karten über das gewünschte Ziel, die dann natürlich auch mit auf die Reise gehen. Wenn die Route so weit steht, lasse ich mich auf Google Maps von Bildern inspirieren. Diese Punkte speichere ich mir dann in meinen Listen ab. Bei Komoot erstelle ich mir einen Ordner mit Wander- und Radtouren. Zum Schluss stöbere ich noch in Polarsteps herum und schaue bei anderen Reisenden nach, was sie so erlebt und gesehen haben.

So ergibt sich eine recht umfangreiche Sammlung von Informationen. Während der Reise entscheiden wir spontan was passt und was nicht, planen um und verändern die Tour. Somit sind wir, bzw. ich gut vorbereitet, lassen uns jedoch den Raum für Planlosigkeit und Spontanität. Wird ein gewünschtes Ziel verpasst, ist uns das inzwischen egal, haben wir stattdessen anderes erlebt.

Veränderungen im Laufe meiner Reisezeit

Die größte Veränderung ist sicherlich, dass ich nicht mehr auf der Jagd nach noch schöneren Reisezielen bin. Ich benötige nicht dieses eine Foto für die sozialen Medien und da gibt es auch kein Abhaken der Hotspots. Ich/wir lassen uns gerne treiben, da steht der Genuss des freien Reisens definitiv im Vordergrund, wie zum Beispiel gerade in der Normandie: einfach am Strand sitzen und zuschauen, wie das Meer kommt und geht, atmen und staunen. Und natürlich erlauben wir uns auch, die Orte zu verlassen, an denen wir uns nicht wohlfühlen.

An der Alabasterküste in der Normandie

Früher habe ich mir recht wenig Gedanken zur politischen Lage in den Ländern gemacht. Das steht heute mehr im Vordergrund und wird gründlich abgewogen. Ein Beispiel dafür ist der Iran. Aufgrund der politischen Lage dort dürfte ich das Land nicht bereisen. Auf der anderen Seite lese ich von so vielen Menschen, die dort gereist sind, dass sie sich stets willkommen und sicher gefühlt haben. Ich würde sehr gerne dieses Land einmal bereisen, irgendwann.

Ebenso sehe ich Flugreisen kritisch. Wir haben hier in Europa noch so viel zu erkunden. Eine Flugreise kommt nur noch infrage, wenn wir uns mindestens vier bis sechs Wochen oder länger in dem Land aufhalten werden. Unter ökologischen Gründen ist Reisen ohnehin fraglich. Da ist der CO2-Fußabdruck schon gewaltig, dessen bin ich mir bewusst. Als Ausgleich versuche ich zu Hause so sparsam wie möglich zu sein, und das gelingt mir relativ gut. Ich tue was ich kann und was mir möglich ist, ein schlechtes Gewissen habe ich nicht.

Nach der Reise

ist vor der Reise. Dann heißt es den Camper ausräumen, putzen und alles wieder in Ordnung bringen. Meine unzähligen Fotos werden gesichtet, sortiert und bearbeitet. Schon während der Reise schreibe ich in Polarsteps ein Reisetagebuch mit Bildern und Text. Polarsteps ist eine App für Apple und Android, die deine Reiseroute trackt und die du mit deinen Bildern und Texten füttern kannst. Wenn du mir dort folgen möchtest, findest du mich in der App unter Bi Lo und sende mir eine Anfrage. Nach der Reise gestalte ich direkt aus Polarsteps heraus einen Bildband und schaffe so eine schöne und greifbare Erinnerung.

Wie du sicher bemerkt hast, gehört das Reisen einfach zu meinem Leben. Ich bin sehr dankbar, dass ich dazu die Gelegenheiten bekommen habe und auch hoffentlich weiter bekommen werde. Ich lebe in einem Land, mit dessen Reisepass ich fast überall hinkomme, das ist ein echtes Privileg und ich wünsche, dass alle Menschen auf der Welt ebenso eine Reisefreiheit bekommen werden, wie ihr hier in Deutschland.

Dieser Artikel ist für mich eine Zeitreise durch mein Reiseleben. Da werden viele Erinnerungen wach und manches, was ich vergessen hatte, ist wieder da. So viel habe ich schon gesehen und erlebt, und dennoch bleibt da ein Hunger nach mehr. Ich wünsche mir, dass ich noch lange gesund bin und weiter auf Reisen gehen kann. 

Mit der heutigen digitalen Fototechnik ist vieles leichter geworden, die Bilder sind auf Speichermedien oder in einer Cloud gesichert und können jederzeit angeschaut werden. Eine Menge Fotos sind bei mir noch in Diakästen eingelagert, die werde ich nun nach und nach digitalisieren.

Von einigen Reisen habe ich inzwischen einen Blogartikel geschrieben. Wenn du magst, schau einfach mal unter der Rubrik Reisen bei mir rein.

Reisende Grüße, Birgit

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